Problemzentriertes Interview: Aufbau, Vor- und Nachteile


Die Studentin interviewt eine Frau
Inhaltsverzeichnis
  1. Problemzentriertes Interview: Aufbau, Vor- und Nachteile
  2. Problemzentriertes Interview: Definition
  3. Problemzentriertes Interview: Aufbau
  4. Problemzentriertes Interview: Leitfaden
  5. Problemzentriertes Interview: Auswertung
  6. Problemzentriertes Interview vs. Experteninterview
  7. Problemzentriertes Interview vs. Narratives Interview
  8. Problemzentriertes Interview: Vorteile und Nachteile

Das Problemzentrierte Interview ist eine wissenschaftliche Erhebungsmethode der qualitativen Sozialforschung, welches von Andreas Witzel entwickelt wurde.

Mit dieser Forschungsmethode kannst du die Erfahrungen und subjektiven Wahrnehmungen der Befragten, in Bezug auf ein bestimmtes Thema, erfassen, welches du im Rahmen einer wissenschaftlichen Forschungsarbeit behandelst. In diesem Artikel erfährst du die Grundlagen über den Aufbau und die spezifischen Vor- und Nachteile dieser Methode.
 

 

Problemzentriertes Interview: Definition

Problemzentrierte Interviews sind Teil der qualitativen Interviews und zeichnen sich durch ihre Offenheit und Flexibilität aus. Den Teilnehmern werden dabei offene Fragen gestellt, die sich grob an einem vorher festgelegten Leitfaden orientieren. So haben die Befragten die Möglichkeit, ihre subjektiven Erfahrungen möglichst frei zu erzählen. Als Interviewer solltest du daher auch die Fähigkeit besitzen, auf neue, sich im Laufe des Interviews ergebende Aspekte einzugehen.
 

Problemzentriertes Interview: Aufbau

Die Durchführung bzw. der Ablauf des problemzentrierten Interviews gliedert sich in drei Phasen: Gesprächseröffnung, Verständnissicherung und Rückfragen sowie Ad-hoc-Fragen. Dabei kannst du dich an folgenden Beispielen orientieren.

Gesprächseröffnung
Zu Beginn der Interviews führst du den Befragten kurz in deine Fragestellung oder Problemstellung ein und stellst eine offene Frage. Du kannst alternativ auch eine Erzählaufforderung tätigen, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, ihre Ausführungen da zu beginnen, wo sie es möchten.

Beispiel:

Im Rahmen meiner Bachelorarbeit befasse ich mich mit dem Wahlverhalten von Erstwählern. Auch du hast in diesem Jahr zum ersten Mal an einer Bundestagswahl teilgenommen. Welche Beweggründe oder welche Motivation hat dich dazu veranlasst?


Um dem Befragten mehr Freiheiten beim Antworten zu lassen, kannst du alternativ auch fragen:

Wie siehst du die aktuelle politische Situation in Deutschland?


Verständnissicherung und Rückfragen
In der zweiten Phase des Interviews, nach den Ausführungen des Befragten, hast du die Gelegenheit Verständnisfragen stellen. Ziel ist es dabei, die subjektiven Darstellungen nachvollziehen zu können und etwaige unklare Aussagen zu korrigieren bzw. zu präzisieren.

Beispiel:

Habe ich richtig verstanden, dass du bis zu diesem einschneidenden Erlebnis keinerlei Interesse für Politik hattest?

Hatte das von dir beschriebene Erlebnis auch zu Veränderungen in deinem Freundeskreis geführt und wenn ja zu welchen?


Ad-hoc-Fragen
In der letzten Phase des Interviews hast du Gelegenheit, zusätzliche Fragen zu stellen, die anders als der Name vermuten lässt, nicht auf spontanem Interesse beruht, sondern im vorab erarbeitet wurden und sich konkret auf die Problemstellung beziehen. Mit diesen Fragen kannst du beispielsweise Dinge ansprechen, die sich im Verlauf des bisherigen Interviews nicht ergeben haben. Darüber hinaus erlauben Ad-hoc-Fragen eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen mehreren Interviews zum selben Thema.

Beispiel:

Was hältst du von der Idee , das Wahlalter zukünftig auf 16 Jahre zu senken?

Wie zufrieden bist du mit dem Ergebnis der Bundestagswahl?

Problemzentriertes Interview: Leitfaden

Für die Durchführung des Interviews brauchst du einen groben Leitfaden. Dabei kannst du dich an folgendem Beispiel orientieren:
 
Interview-Phase Fragen Beispielformulierung
Gesprächseröffnung Vielen Dank, dass du am Interview teilnimmst, mein Name ist XY und ich möchte dir heute einige Fragen bezüglich deines Wahlverhaltens stellen.
Einleitung Erzähl-Phase offene Frage / Gesprächsaufforderung Hast du an der diesjährigen Bundestagswahl teilgenommen und was hat dich motiviert?
Erzähl-Phase
Verständnisfragen Danke für deine Ausführungen.
Du sagtest, deine Eltern waren nie sonderlich politisch. Wie kam es denn dazu, dass du schon so früh ein Interesse für Politik entwickelt hast?
Glaubst du viele in deinem Alter sehen das ähnlich?
Erzähl-Phase
Ad-hoc-Fragen Nachdem wir soweit fertig sind, möchte ich dir noch einige abschließende Fragen stellen.
Wie informierst du dich über das aktuelle politische Geschehen?
Siehst du in Deutschland Parallelen zu der politischen Entwicklung in den Vereinigten Staaten?
Wo siehst du dich in vier Jahren?
Erzähl-Phase
Abschluss Noch einmal Danke für deine Teilnahme. Hast du vielleicht noch Fragen an mich?
 

Problemzentriertes Interview: Auswertung

Für die Auswertung eines problemzentrierten Interviews gibt es keine allgemeingültigen Vorgaben, wichtig ist aber, dass die Ergebnisse für jeden nachzuvollziehen sind. Es ist in jedem Fall ratsam, dass du das Interview zunächst transkribierst. Anhand des Transkripts kannst du die Antworten der Befragten in unterschiedliche Kategorien einteilen und so Schlussfolgerungen ziehen.
 

Problemzentriertes Interview vs. Experteninterview

Beide Interview-Typen zeichnen sich dadurch aus, dass die Fragen sich an einem Leitfaden orientieren und die Interviewten ihre Erfahrungen schildern. Das Experteninterview ist jedoch eine spezielle Sonderform des Leitfaden-Interviews, bei welchem der Experte nicht als Einzelperson interessiert, sondern als Stellvertreter und Repräsentant einer bestimmten Gruppe. In diesem Sinne sind die Aussagen eines Experten, im Gegensatz zu einem normalen Befragten, nicht nur auf eigenen Erfahrungen beruhend, sondern basieren vor allem auch auf Fachwissen.
 

Problemzentriertes Interview vs. Narratives Interview

Zwar stehen sowohl beim problemzentrierten, als auch beim narrativen Interview zunächst einmal die freien Erzählungen der Befragten im Vordergrund, während das narrative Interview aber die bibliografischen Erfahrungen in den Fokus rückt, sind es, beim problemzentrierten Interview hingegen konkrete, auf ein Thema oder eine Fragestellung bezogene Erfahrungen. Das Gespräch ist bei der problemzentrierten Variante zudem stärker strukturiert und erlaubt auch Nachfragen seitens des Interviewers. Das narrative Interview erlaubt es, neue Hypothesen aus den Erzählungen der Interviewteilnehmer abzuleiten, beim problemzentrierten Interview stellst du neue Hypothesen in Bezug auf deine Frage- oder Problemstellung auf.
   

Problemzentriertes Interview: Vorteile und Nachteile

Das Verfahren des problemzentrierten Interviews weist, wie andere Forschungsmethoden auch, sowohl Vor- als auch Nachteile auf. Ob diese Interviewform die richtige für deine Untersuchung ist, hängt immer stark davon ab, welche Informationen du dir erhoffst. Durch die Durchführung des problemzentrierten Interviews mit mehreren Befragten, lassen sich beispielsweise Rückschlüsse über das Verhalten bestimmter Zielgruppen treffen oder Hypothesen über bestimmte Wirkungszusammenhänge oder Einflussfaktoren auf bestimmte Entscheidungen treffen.
 
Vorteile Nachteile
  • Sehr flexibel durch offene Fragestellungen
  • Ad-hoc-Fragen ermöglichen einfache Vergleichbarkeit
  • Antworten lassen sich leicht kategorisieren und strukturieren
  • da es sich um subjektive Erfahrungen der Befragten handelt, lassen sich die Ergebnisse nicht verallgemeinern
  • die Aussagekraft der Auswertung ist teilweise gering